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Die Fellfarben Lilac und Blue erfreuen sich seit mehreren Jahren zunehmender Beliebtheit in Kleinspitz und Zwergspitz beziehungsweise Pomeranian. Da die FCI und damit (in Deutschland) der VDH diese Farben in den vorgenannten Rassen als frisch eingezüchtete Farbschläge nicht anerkennt, werden sie bisher nur in sogenannten Dissidenz-Vereinen, das heißt Vereinen ohne FCI- oder VDH-Zugehörigkeit gezüchtet (oder ganz ohne Vereinszugehörigkeit).

Die Zucht von dilutfarbigen Hunden ist in den letzten Jahren scheinbar explodiert. Zu Rassen, in denen Blue und/oder Lilac schon länger regelmäßig (wie Staffordshire oder Whippet) oder sogar standardmäßig (Weimaraner) vorkommt, haben sich heute auch Rassen wie Labrador und Spitz gesellt. Aufgrund seiner rezessiven Vererbung ist die Zucht mit dem Dilut-Gen allerdings nicht ganz einfach; mit steigender Nachfrage haben einige Züchter daher ethische Abkürzungen genommen, die heute zur Prävalenz des schlechten Rufs von Dilut beitragen.

DAS

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GEN

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Verschiedene Ausprägungen von Lilac (Chocolate + Dilut-Gen): von rechts nach links bzw.
oben nach unten: warmes Lilac (mit Tan), dunkles Lilac, helles Lilac.

 

Das Dilut-Gen "d" sitzt genetisch auf dem D-Lokus in der DNA des Hundes. Hier wird bisher eine Mutation des MLPH-Gens als verantwortlich für die veränderte Optik gesehen. Das MLPH-Gen steuert die Verteilung von Pigment in den einzelnen Haaren des Fellkleids; bei dilutfarbigen Hunden verteilen sich Farbpigmente im Haar nicht gleichmäßig und fein, sondern klumpen zusammen und sind willkürlich verteilt. Das sorgt für die aufgehellt-schimmernde, neue Fellfarbe.

Schwierig ist die Zucht mit dem Dilut-Gen nun, weil es sich rezessiv vererbt. Nur ein "d" reicht nicht aus, damit ein Hund optisch Dilut ist. Damit ein Hund diese Pigment- beziehungsweise Fellfarbe überhaupt optisch zeigt, muss er genetisch zwei Kopien des Dilut-Gens "d" aufweisen. Das heißt, beide Elternteile müssen entweder dilutfarbig sein oder aber verdeckt eine Kopie des Gens tragen. Erst dann können sie dilutfarbigen Nachwuchs zeugen: Je ein Elternteil gibt ein "d" an den Welpen ab, damit er optisch Dilut ist.

Dilut kann also verdeckt genetisch getragen werden (D/d); die optische Ausprägung von Dilut testet als d/d. Ein Hund, der weder dilut ist noch es trägt, testet genetisch hingegen als D/D.

Die Zucht mit Dilut ist am einfachsten, wenn nur dilutfarbige Hunde verpaart werden. Aus einer solchen Verpaarung von Dilut x Dilut können nur ebenfalls dilutfarbige Hunde entstehen. Es gibt allerdings auch Hürden wie Creme, Sable, Particolor (Scheckung) und Merle, die die Dilutfarben Lilac und Blue teils oder komplett überdecken können. Dann ist die eigentliche Dilut-Farbe nur noch an freien Hautstellen zu erkennen, wie Augen und Nase (sofern diese gut pigmentiert sind).

Dilut hat dabei seinen deutlichsten Einfluss auf Eumelanin, das heißt auf schwarzes und braunes (auch: Chocolate oder Red, je nach Rasse und Farbbezeichnung) Pigment. Schwarzes Pigment hellt dabei zu Blue und braunes Pigment zu Lilac auf. Creme (rotes bis weißes Pigment) verdeckt zwar Lilac und Blue, scheint aber manchmal marginal optisch durch Dilut beeinflusst zu werden. Je nach Rasse wird Creme + Dilut auch Platinum oder Champagner genannt.

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Verschiedene Ausprägungen von Blue (Schwarz + Dilut-Gen):
Links/oben: Blue (mit Tan), rechts/unten: Blue (Welpenfell).

 

Ähnlich wie bei Merle ranken sich um dilutfarbiges Pigment einige Gesundheits-Mythen. Dilutfarbige Hunde hätten häufig ein schwaches Immunsystem, würden an inneren Organmissbildungen leiden, wären öfter Herzkrank. Die Verpaarung zweier dilutfarbiger Hunde wäre gefährlich, würde zu kranken oder toten Welpen führen. Ebenso dürfe man sehr helle Hunde (wie Weiß oder Particolor oder Merle) nicht mit Dilut verpaaren, da auch hier kranke oder tote Welpen entstehen würden.

Diese Gerüchte haben keine genetisch gesicherte Grundlage. Es ist allerdings sehr wohl denkbar, dass die unseriöse, unethische Vermehrung dilutfarbiger Hunde zu häufigeren Vorkommnissen von missgebildeten, kranken oder toten Welpen in Würfen mit Dilut geführt hat. Diese Probleme sind jedoch nicht auf die Pigmentfarbe zurückzuführen, sondern auf das Vermehren von Hunden ohne Augenmerk auf ihre Gesundheit oder genetische Kompatibilität. Zu enge Linienzucht oder Inzucht, Zucht ohne gesundheitliche Untersuchungen und Ausbeutung von Hündinnen unter schlechten oder unhygienischen Zuchtbedingungen fördern die Prävalenz der oben genannten vermeintlichen gesundheitlichen Folgen—ganz ohne Dilut.

Die einzig gesicherte Erkrankung, die auf Dilut zurückzuführen ist, ist die Colour Dilution Alopecia (kurz: CDA). Verantwortlich sind mehrere Gene, für die es bisher noch keinen Genetiktest gibt. Betroffen sind ausschließlich dilutfarbige Hunde; Träger oder nicht-dilutfarbige Hunde können nicht an CDA erkranken. Sie können die notwendigen Genkombinationen für CDA jedoch sehr wohl ebenfalls genetisch tragen.

Dilutfarbige Hunde, die an CDA erkranken, zeigen erste Symptome meist mit 4 bis 12 Monaten. Ein erstmaliges Auftreten erster Anzeichen nach dem etwa 2. Lebensjahr ist unwahrscheinlich. Häufig äußert sich CDA in nackt werdenden Ohrspitzen, Pfoten/Beinen und Ruten. Auch Haarausfall am Rumpf kann früh auftreten. In jedem Fall breitet sich der Haarausfall dann relativ rasch über den Rest des Körpers aus, bis alles dilutfarbige Fell entweder ganz ausgefallen oder nur noch spärlich und spröde erhalten ist. Dazu wird die freiliegende Haut schuppig, trocken bis schorfig, juckt unangenehm und benötigt unbedingt viel Pflege durch den Halter. CDA ist nicht heilbar, lediglich seine Symptome (Haarausfall, Juckreiz, gereizte Haut) können durch Ernährung und Hautpflege gemildert werden.

Übrigens: Beispielsweise gescheckte Hunde, die also nicht nur dilutfarbiges Fell haben, sondern in diesem Fall auch weißes, können ebenfalls an CDA erkranken. Dabei sind jedoch nur dilutfarbige Haare von CDA betroffen. Das heißt, ein gescheckter Hund mit CDA hat intaktes weißes Fell, während die Stellen im Fell, die dilutfarbig sind, Haarausfall und Hautprobleme zeigen.

Das Gegenstück zu CDA bei nicht-dilutfarbigen Hunden ist übrigens die Black Hair Follicular Dysplasia, die statt bei Blue und Lilac nur bei Schwarz und Braun auftritt. Sie ist allerdings deutlich seltener als die neuerdings häufiger auftretende CDA.

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Gunner (✞ 2022) mit CDA, der Namensgeber für Gunner's Diet, die CDA-betroffenen Hunden mit ihren Symptomen helfen soll. (Quelle: https://www.facebook.com/ColorDilutionAlopecia/photos/a.504205416328452/575395699209423/?type=3)

 

Dennoch haben wir uns auf die Zucht dilutfarbiger Kleinspitze und Zwergspitze beziehungsweise Pomeranian spezialisiert. Möglich ist dies durch die sorgfältige Auswahl von Zuchthunden. Bei ersten Anzeichen möglicher CDA-typischer Symptome muss der Zuchteinsatz des Hundes aufgeschoben werden, bis CDA gesichert (= Zuchtausschluss) oder ausgeschlossen ist. Bisher hatten wir jedoch keinen einzigen Fall von CDA in unserer Zucht. Zudem scheint der Spitz auch in seiner Gesamtheit weitaus weniger von CDA betroffen zu sein als Rassen wie Dobermann und Labrador.

Die Verpaarung von dilutfarbigen Hunden ist dabei die sicherste Methode, um CDA weitestgehend aus der Rasse zu züchten. Da CDA sich nur auf dilutfarbigen Hunden überhaupt zeigen kann, bringt die Verpaarung von erwachsenen dilutfarbigen Hunden ohne CDA-Symptome mit höchster Wahrscheinlichkeit auch CDA-freie Nachkommen hervor. Verpaarungen von Dilut-Trägern sind risikoreicher, da Dilut-Träger zwar die nötigen Gene für CDA tragen können, an dieser aber aufgrund ihrer Fellfarbe (Nicht-Dilut) nicht erkranken: Ihre dilutfarbigen Nachkommen dann unter Umständen aber schon. Wirkliche Sicherheit wird in der Zucht mit Dilut aber erst dann bestehen, wenn es einen zuverlässigen Genetiktest auf CDA gibt.

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Kleinspitz-Welpen in Lilac (links und rechts) und Chocolate (mittig) von Canis Dulcis.

 

Zuletzt ist Dilut—wie Merle—häufig in der Kritik, durch Einkreuzungen in den Spitz gekommen zu sein. Dilutfarbige Hunde wären damit keinesfalls reinrassig, sondern Mischlinge. Zugegebenermaßen sieht man auch heute noch häufig bewusst gezüchtete Mischlinge aus Spitz und Chihuahua (Pomchi), deren Nachkommen ähnliche optische Eigenschaften aufweisen wie manche vermeintliche reinrassige Spitze in Dilut.

Dasselbe gilt jedoch heute für viele Kleinspitze und Zwergspitze beziehungsweise Pomeranian in Standardfarben (also FCI- und VDH-anerkannte Farbschläge wie Sable, Orange und Black & Tan). Es ist offensichtlich, dass die plötzliche Explosion der Beliebtheit und damit Zucht des Pomeranian vor einigen Jahren dazu geführt hat, dass Mischlinge und nicht-rassetypische Spitze auf den Markt gebracht wurden, die auch heute noch in der Zucht (oder privaten Vermehrung) kursieren und die Optik des Kleinspitz, Zwergspitz beziehungsweise Pomeranian nachhaltig beeinflussen.

Obwohl das Dilut-Gen sich in einigen Rassen tatsächlich seit Jahrzehnten oder länger verdeckt gehalten und erst kürzlich durch gewollte Zucht mit solchen Fehlfarben in den jeweiligen Rassen Fuß gefasst hat, ist nicht auszuschließen, dass Blue und Lilac unter anderem auch durch Einkreuzen anderer Rassen in den Spitz gekommen sind.

Dabei muss das Einkreuzen anderer Rassen kein Verbrechen sein: Sogenanntes frisches Blut aus anderen Rassen kann vor allem für Linien aus FCI- oder VDH-Zuchten von Vorteil sein, die sich seit Jahren durch strenge Selektion auf Optik (Shows, Zuchtrichter, Rassestandards) unweigerlich und unvermeidbar auf einen genetischen Flaschenhals zubewegen, der nachhaltig Rassen zerstört.

Hinzu kommt, dass es vielen Züchtern bereits gelungen ist, dilutfarbige Spitze wieder auf den ursprünglich gewollten Typ des Kleinspitz und Zwergspitz beziehungsweise Pomeranian zurück zu züchten. Das heißt, ohne Betrachtung ihrer Fellfarbe entsprechen diese Hunde wieder dem Rassestandard. Ahnentafel und Fellfarbe allein dürfen daher keine Anhaltspunkte für die Reinrassigkeit eines Hundes sein: Entspricht ein Hund optisch und charakterlich einer Rasse und wird gezielt auf diese Rasse oder gar ihre Verbesserung hin gezüchtet, soll auch die Einkreuzung anderer Rassen vor mehreren Generationen seiner Bezeichnung als reinrassig nicht im Weg stehen.

Es bleibt für uns unverständlich, wieso einige alteingesessene Züchter daher darauf beharren, dass auch nach fünf, sieben oder zehn Generationen der letztmals vollzogenen Einkreuzung ein optisch und charakterlich rassetypischer, verantwortlich gezüchteter und gesunder Hund als Mischling bezeichnet wird. Scheinbar verdrängen ebendiese Züchter immer wieder, wie ihre geliebte Rasse ursprünglich entstanden ist, und dass das Beharren auf einst festgelegte Rassestandards über Jahrzehnte unweigerlich negative gesundheitliche Folgen für eine Rasse hat.

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